Richtlinie Wohnen
Was »Wohnen« genau bedeutet ist schwer zu definieren. Nicht in allen Sprachen ist dafür ein eigenständiges Wort vorhanden. Zum Beispiel wird im englischsprachigen Raum nicht zwischen »Leben« und »Wohnen« unterschieden. In unserem Kulturkreis werden dem Wort »Wohnen« Funktionen zugeordnet, die eher als privat und intim angesehen werden. Schlafen, Körperpflege, Sexualität und Haushaltsführung sind Aspekte, die wir mit Wohnen verbinden. Seit die Menschen Ackerbau betreiben, leben sie in festen Behausungen. Ein solcher Wohnort dient dem Schutz vor Witterung, der Sicherheit, der Zubereitung und Lagerung von Nahrung. Im 19. Jahrhundert entwickelt sich mit der aufkommenden Industrialisierung der Begriff »Wohnen« umso stärker. Durch die Verlagerung der Arbeit an andere Orte wird der Wohnraum zum Rückzugsort und Intimbereich des neuen Bürgertums. Zur Biedermeierzeit entsteht eine neue eigene Kultur und Kunst des Bürgertums. Themen wie Hausmusik und Innenarchitektur erhalten mehr Bedeutung. Diese Ansicht hält bis heute an. An einem Ort zu wohnen impliziert Privatsphäre und Individualität. Erst durch die Möglichkeit sich selbst auszudrücken und zu bestimmen machen wir einen Ort wohnlich. Die Wohnung wird zum räumlichen Lebensmittelpunkt. Sie ist eine feste Behausung aus einer Anzahl von Räumen, die Wohnzwecken dienen und die eine selbstständige Lebensführung ermöglichen. Unter dem Aspekt, wie sich Wohnen entwickelt hat und was es bedeutet, interessieren Institutionen und Orte, an denen Menschen auf Grund gewisser Umstände temporär wohnen müssen oder sollen. Gemeint sind staatliche oder auch private soziale Einrichtungen wie Altenheime, Haftanstalten, Studierendenwohnheime, Asylbewerberwohnheime oder auch auf die Dauer angelegte medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser und Psychiatrien. Diese Institutionen und Orte beinhalten eingeschränktes oder vorgegebenes Wohnen. Dabei wird noch nicht unterschieden, ob die Betroffenen freiwillig oder unfreiwillig in diesen Einrichtungen leben und wohnen. In allen Fällen ist aber der Wohnraum in Form der Möbel, des Standortes und des Nutzens vorgegeben und der Lebenssituation der Bewohner angepasst. Das Projekt »Richtlinie Wohnen« widmet sich den Fragmenten dieser Wohnformen.
Lina-Trixie Feller
Projektstudium, 2014